Die Spe­zi­al­hefte ver­langen bei uns immer mona­te­lange Pla­nung. Dabei ist nicht selten Impro­vi­sa­ti­ons­kunst gefragt. So auch beim großen Inter­view des Hefts, aber das ist nur ein Bruch­teil der zu bewäl­ti­genden Auf­gaben. Dirk Gie­sel­mann führt die Regie bei unseren Son­der­heften. Wir beide sitzen in einem Büro, des­halb bekomme ich aus nächster Nähe mit, wie viel Auf­wand diese Rolle bedeutet. An man­chen Tagen klin­gelt das Telefon unent­wegt, Redak­teure und Mit­ar­beiter aus der Gra­fik­ab­tei­lung geben sich die Klinke in die Hand, um die Texte für das Heft, die Gestal­tung oder die Fotos zu bespre­chen.

Auf jeden Fall! Auf keinen Fall!

Beim Thema Inter­view wurden gleich meh­rere Vor­schläge heiß dis­ku­tiert. Ich schlug Inter­view­partner vor, die meiner Mei­nung nach auf jeden Fall und unter allen Umständen ins Heft mussten. Die aber in Gie­sel­manns Augen auf keinen Fall und unter gar keinen Umständen ins Heft durften. Plötz­lich kur­sierte eine Jah­res­zahl im Raum: 1997. Das Jahr der großen Demons­tra­tionen der Berg­leute, in den Sta­dien sah man die auf­leuch­tenden Gru­ben­lampen. Aber es war auch das Jahr der größten Erfolge der Mann­schaften im Ruhr­ge­biet.

Schalke holte den Uefa-Pokal, Dort­mund die Cham­pions League, der VfL Bochum schaffte sen­sa­tio­nell den Einzug in den inter­na­tio­nalen Wett­be­werb und der MSV Duis­burg belegte nicht minder über­ra­schend Platz neun. Im Jahr darauf zogen die Duis­burger gar ins DFB-Pokal­fi­nale. Und 1997 war das große Jahr der Soli­da­ri­sie­rung im Revier, Ruhr­pott, Ruhr­pott“ schallte es durch die Sta­dien, die Fans schienen sich ver­bunden wie nie.

Ein rau­schendes Geburts­tags­fest

Was also, wenn man vier Spieler aus diesem Jahr an einen Tisch bringen würde? Unsere Erin­ne­rungen flammten auf. Yyy­yves, na klar. Der Mann, der Djor­kaeff und später Ronaldo aus­ge­schaltet hatte und für die taz“ schrieb. Der in einem Spot für den WDR das Ruhr­ge­biet pries. Wer Yyy­yves sagt, der muss auch Knuuuut sagen. Der Kämpfer mit der harten linken Klebe, der nun an einer Grund­schule als Lehrer arbei­tete. Und Peter Közle! MSV und VfL! Der seinen Wohn­sitz in Miami auf­ge­geben hatte, um wieder im Ruhr­ge­biet zu leben. Und Joa­chim Hopp, weil er ein­fach Joa­chim Hopp ist.

Es fühlte sich an, als würden wir eine Ein­la­dungs­liste zu einem rau­schenden Geburts­tags­fest auf­stellen, auch wenn wir keinen der vier jemals per­sön­lich getroffen hatten. Gie­sel­mann fragte mich: Für wie wahr­schein­lich hältst du es, dass so ein Treffen wirk­lich statt­findet?“ Zehn Pro­zent“, sagte ich.

Yves Eigen­rauch hatte bereits mehr­fach betont, nur ungern über Fuß­ball zu spre­chen. Peter Közle hatte in einem Inter­view gesagt, dass ihn ein Duis­burger Spieler nach seinem Wechsel zum VfL mal böse umge­treten habe. Die Beschrei­bung passte auf Joa­chim Hopp. Und Knut Rein­hardt? Hatte der nicht zu viel in der Schule zu tun? Außerdem blieben uns nur noch vier Wochen Zeit bis zur Abgabe, um vier Zusagen, einen Inter­view­termin und einen Inter­viewort im Sinne aller Betei­ligten fest­zu­zurren. Doch die Zweifel zer­streuten sich inner­halb weniger Stunden. Eigen­rauch wil­ligte ein, Rein­hardt schlug einen Termin vor („Aber vorher geht es nicht, es sei denn, du schreibst den Kin­dern die Zeug­nisse“) und Közle sagte ange­spro­chen auf Joa­chim Hopp: Wenn du ihn anrufst, frag mal, was jetzt mit Kar­neval ist. Er wollte doch da was klar machen.“

Kol­lege Benni Kuhl­hoff und ich freuten uns also schon in den Tagen vor dem Inter­view­termin auf eine lockere, lau­nige Runde. Als wir dann an einem Samstag in einem Bochumer Lokal nahe des Stadt­parks ankamen, trafen wir gleich auf Joa­chim Hopp, mit dem man ja prin­zi­piell ein­fach keine lang­wei­lige Zeit ver­bringen kann. Knut Rein­hardt und Peter Közle tru­delten danach ein, allein Yves Eigen­rauch ließ etwas auf sich warten.

Nach einigen Minuten betrat auch er den Raum und setzte seinen Roll­er­helm ab. Den Helm kannst du gleich auf­be­halten“, kam es aus der Ecke der Übrigen. Habe ich schon gesagt, dass ich nicht gerne mit Fuß­bal­lern spreche“, scherzte Eigen­rauch sogleich. Es war also ange­richtet für einen ent­spannten Rück­blick, ein Anek­do­ten­feu­er­werk rund um das Jahr 1997 und das Ruhr­ge­biet im Spe­zi­ellen.
Ganz so wurde es dann nicht.

Thema ver­fehlt“ – oder doch nicht

Im Laufe des Gesprächs wurden die unter­schied­li­chen Mei­nungen über das Leben als Pro­fi­fuß­baller oder das Geschäft an sich über­deut­lich. Zeit­weise musste man sogar das Gefühl haben, dass in der nächsten Sekunde jemand aus der Runde ein­fach auf­steht und geht. Doch dann nahm die Dis­kus­sion wieder einen anderen Ver­lauf und selbst die anwe­senden Foto­grafen mussten laut über die Anek­doten und Sprüche lachen. Die vier inter­agierten so stark mit­ein­ander, dass wir gar nicht so viele Fragen stellen mussten. Das Jahr 1997 wurde gar nicht mehr so stark the­ma­ti­siert, wie wir eigent­lich geplant hatten.

Nor­ma­ler­weise würden dann (Chef-)Redakteure wie früher die Lehrer in der Schule über ein sol­ches Inter­view in roter Schrift ein Thema ver­fehlt“ mit drei Aus­ru­fe­zei­chen setzen. Doch in diesem Fall sind wir im Nach­hinein glück­lich dar­über, wie es gelaufen ist. Wann liest man in Inter­views schon einen sol­chen Wider­streit oder eine gewisse Span­nung? Steve McQueens Inter­view in der SZ war eines der letzten, sel­tenen Stücke dieser Art, die wir kannten.

In alle Him­mels­rich­tungen

Und zum anderen weist die Ver­hand­lung der vier über das Fuß­ball­ge­schäft und ihre per­sön­li­chen Ein­stel­lungen auch weit über das Geschehen im Ruhr­ge­biet hinaus. Hier spra­chen vier Ex-Fuß­baller über ihre Ver­gan­gen­heit und Gegen­wart, die nach der Kar­riere in die unter­schied­lichsten Him­mels­rich­tungen aus­ge­schwärmt waren. Nach Miami. In ein Jugend­theater. Auf einen Vier­ein­halb­tonner. In einen Hör­saal. Die Frage: Was nützt der Fuß­ball in Erin­ne­rungen?

Nach den zwei Stunden Inter­view saßen wir noch auf einige Pils mit Peter Közle zusammen. Auch dabei kann einem ja prin­zi­piell nie lang­weilig werden, so viel sei gesagt.

Das Gespräch mit den vier Publi­kums­helden von einst war intensiv, so kann man es zusam­men­fassen. In allen Facetten. Wie die Pla­nung vorher auch schon. Und wie das Jahr 1997 im Ruhr­ge­biet sowieso.