Für unsere Spezial-Ausgabe „Rivalen an der Ruhr“ trafen wie Yves Eigenrauch, Knut Reinhardt, Peter Közle und Joachim Hopp zum Gespräch. Wir erwarteten eine entspannte Runde und ein Anekdotenfeuerwerk zum Ruhrpott. Es kam etwas anders.
Die Spezialhefte verlangen bei uns immer monatelange Planung. Dabei ist nicht selten Improvisationskunst gefragt. So auch beim großen Interview des Hefts, aber das ist nur ein Bruchteil der zu bewältigenden Aufgaben. Dirk Gieselmann führt die Regie bei unseren Sonderheften. Wir beide sitzen in einem Büro, deshalb bekomme ich aus nächster Nähe mit, wie viel Aufwand diese Rolle bedeutet. An manchen Tagen klingelt das Telefon unentwegt, Redakteure und Mitarbeiter aus der Grafikabteilung geben sich die Klinke in die Hand, um die Texte für das Heft, die Gestaltung oder die Fotos zu besprechen.
Auf jeden Fall! Auf keinen Fall!
Beim Thema Interview wurden gleich mehrere Vorschläge heiß diskutiert. Ich schlug Interviewpartner vor, die meiner Meinung nach auf jeden Fall und unter allen Umständen ins Heft mussten. Die aber in Gieselmanns Augen auf keinen Fall und unter gar keinen Umständen ins Heft durften. Plötzlich kursierte eine Jahreszahl im Raum: 1997. Das Jahr der großen Demonstrationen der Bergleute, in den Stadien sah man die aufleuchtenden Grubenlampen. Aber es war auch das Jahr der größten Erfolge der Mannschaften im Ruhrgebiet.
Schalke holte den Uefa-Pokal, Dortmund die Champions League, der VfL Bochum schaffte sensationell den Einzug in den internationalen Wettbewerb und der MSV Duisburg belegte nicht minder überraschend Platz neun. Im Jahr darauf zogen die Duisburger gar ins DFB-Pokalfinale. Und 1997 war das große Jahr der Solidarisierung im Revier, „Ruhrpott, Ruhrpott“ schallte es durch die Stadien, die Fans schienen sich verbunden wie nie.
Ein rauschendes Geburtstagsfest
Was also, wenn man vier Spieler aus diesem Jahr an einen Tisch bringen würde? Unsere Erinnerungen flammten auf. Yyyyves, na klar. Der Mann, der Djorkaeff und später Ronaldo ausgeschaltet hatte und für die „taz“ schrieb. Der in einem Spot für den WDR das Ruhrgebiet pries. Wer Yyyyves sagt, der muss auch Knuuuut sagen. Der Kämpfer mit der harten linken Klebe, der nun an einer Grundschule als Lehrer arbeitete. Und Peter Közle! MSV und VfL! Der seinen Wohnsitz in Miami aufgegeben hatte, um wieder im Ruhrgebiet zu leben. Und Joachim Hopp, weil er einfach Joachim Hopp ist.
Es fühlte sich an, als würden wir eine Einladungsliste zu einem rauschenden Geburtstagsfest aufstellen, auch wenn wir keinen der vier jemals persönlich getroffen hatten. Gieselmann fragte mich: „Für wie wahrscheinlich hältst du es, dass so ein Treffen wirklich stattfindet?“ „Zehn Prozent“, sagte ich.
Yves Eigenrauch hatte bereits mehrfach betont, nur ungern über Fußball zu sprechen. Peter Közle hatte in einem Interview gesagt, dass ihn ein Duisburger Spieler nach seinem Wechsel zum VfL mal böse umgetreten habe. Die Beschreibung passte auf Joachim Hopp. Und Knut Reinhardt? Hatte der nicht zu viel in der Schule zu tun? Außerdem blieben uns nur noch vier Wochen Zeit bis zur Abgabe, um vier Zusagen, einen Interviewtermin und einen Interviewort im Sinne aller Beteiligten festzuzurren. Doch die Zweifel zerstreuten sich innerhalb weniger Stunden. Eigenrauch willigte ein, Reinhardt schlug einen Termin vor („Aber vorher geht es nicht, es sei denn, du schreibst den Kindern die Zeugnisse“) und Közle sagte angesprochen auf Joachim Hopp: „Wenn du ihn anrufst, frag mal, was jetzt mit Karneval ist. Er wollte doch da was klar machen.“
Kollege Benni Kuhlhoff und ich freuten uns also schon in den Tagen vor dem Interviewtermin auf eine lockere, launige Runde. Als wir dann an einem Samstag in einem Bochumer Lokal nahe des Stadtparks ankamen, trafen wir gleich auf Joachim Hopp, mit dem man ja prinzipiell einfach keine langweilige Zeit verbringen kann. Knut Reinhardt und Peter Közle trudelten danach ein, allein Yves Eigenrauch ließ etwas auf sich warten.
Nach einigen Minuten betrat auch er den Raum und setzte seinen Rollerhelm ab. „Den Helm kannst du gleich aufbehalten“, kam es aus der Ecke der Übrigen. „Habe ich schon gesagt, dass ich nicht gerne mit Fußballern spreche“, scherzte Eigenrauch sogleich. Es war also angerichtet für einen entspannten Rückblick, ein Anekdotenfeuerwerk rund um das Jahr 1997 und das Ruhrgebiet im Speziellen.
Ganz so wurde es dann nicht.
„Thema verfehlt“ – oder doch nicht
Im Laufe des Gesprächs wurden die unterschiedlichen Meinungen über das Leben als Profifußballer oder das Geschäft an sich überdeutlich. Zeitweise musste man sogar das Gefühl haben, dass in der nächsten Sekunde jemand aus der Runde einfach aufsteht und geht. Doch dann nahm die Diskussion wieder einen anderen Verlauf und selbst die anwesenden Fotografen mussten laut über die Anekdoten und Sprüche lachen. Die vier interagierten so stark miteinander, dass wir gar nicht so viele Fragen stellen mussten. Das Jahr 1997 wurde gar nicht mehr so stark thematisiert, wie wir eigentlich geplant hatten.
Normalerweise würden dann (Chef-)Redakteure wie früher die Lehrer in der Schule über ein solches Interview in roter Schrift ein „Thema verfehlt“ mit drei Ausrufezeichen setzen. Doch in diesem Fall sind wir im Nachhinein glücklich darüber, wie es gelaufen ist. Wann liest man in Interviews schon einen solchen Widerstreit oder eine gewisse Spannung? Steve McQueens Interview in der SZ war eines der letzten, seltenen Stücke dieser Art, die wir kannten.
In alle Himmelsrichtungen
Und zum anderen weist die Verhandlung der vier über das Fußballgeschäft und ihre persönlichen Einstellungen auch weit über das Geschehen im Ruhrgebiet hinaus. Hier sprachen vier Ex-Fußballer über ihre Vergangenheit und Gegenwart, die nach der Karriere in die unterschiedlichsten Himmelsrichtungen ausgeschwärmt waren. Nach Miami. In ein Jugendtheater. Auf einen Viereinhalbtonner. In einen Hörsaal. Die Frage: Was nützt der Fußball in Erinnerungen?
Nach den zwei Stunden Interview saßen wir noch auf einige Pils mit Peter Közle zusammen. Auch dabei kann einem ja prinzipiell nie langweilig werden, so viel sei gesagt.
Das Gespräch mit den vier Publikumshelden von einst war intensiv, so kann man es zusammenfassen. In allen Facetten. Wie die Planung vorher auch schon. Und wie das Jahr 1997 im Ruhrgebiet sowieso.