Björn Lenz lebt als „Don Bratwurst“ in Barcelona und betreibt in der Welthauptstadt des schönen Fußballs eine Bundesligakneipe. Im langen Schatten von Camp Nou kann man hier deutsche Wurst essen, deutsches Bier trinken – und den VfL Wolfsburg oder Hoffenheim gucken.
Vilapicina ist eine ruhige Gegend. Hier oben wirkt Barcelonas Altstadt weit weg, obwohl es bis zu den Ramblas nur ein paar Metrostationen sind. Doch die Ruhe täuscht, denn vor der Bar mit dem Schild „Don Bratwurst – El Alemán“ steht der Don selbst. Arme und Hände tätowiert, das schwarze T‑Shirt spannt beträchtlich. Auf seinem Kopf ein abgewetzter Cowboyhut aus Stroh. In seiner Linken schwappt etwas Bier in einem Viertelliterglas. In der Nachmittagssonne plaudert er mit den ersten Gästen. „Hallo Freunde“, ruft er den Neuankömmlingen auf Deutsch entgegen. Es ist Samstag. In anderthalb Stunden beginnt die Bundesligakonferenz.
Wurst, Messi und Rock ’n’ Roll
Björn Lenz hat viel erlebt, bevor er zu Don Bratwurst wurde. Nach der Schule ging er zum Bundesgrenzschutz und arbeitete später als Schornsteinfeger. „Ich wusste immer, dass ich mich irgendwann mal selbständig machen würde“, sagt er. Das war erst ein Musikgeschäft, vor zehn Jahren verkaufte er es und ging nach Spanien. Die Konstante im Leben des Vierzigjährigen ist der Rock ’n’ Roll. Als Bassist einer Rockabilly-Band kam Lenz nach Barcelona.
Im Don Bratwurst läuft Metallica. Durch das Eisentor am Eingang dringt nur wenig Tageslicht nach innen. Ein paar Kilometer weiter zelebrieren Messi und Iniesta Woche für Woche Hochglanzfußball, hier drinnen zieht der Geruch gebratener Würste von der Küche herüber. 25 Mann sitzen bei deutscher Wurst und deutschem Bier an Tischen mit rot-weißen Papierdecken und warten auf die Bundesliga. An den fettigen Wänden hängen handsignierte Trikots, Totenköpfe aus Plastik, alte Bierwerbungen aus Blech. Kurz vor Anstoß kommen Tom und Martin zur Tür herein. Beide um die 30. „Servus Freunde“, flötet der Don, „haut euch dahinten mit bei.“ Die beiden setzen sich in die letzte Reihe zu einem Controller aus Dortmund.
Wenn Björn Lenz eine wichtige Entscheidung trifft, überlegt er nicht lange. So wie damals, als er zu Don Bratwurst wurde. „Das war so Jesus-mäßig“, sagt er. Seine erste Kneipe eröffnete er 2003 in Barcelonas Innenstadt mit einem Kollegen. Das Geschäft lief gut, aber schon bald gab es Stress mit der Polizei. Der Kollege gab auf, Lenz zog nach Vilapicina. Im Viertel ist er mittlerweile eine kleine Institution.
Halb vier, Anstoß in den Bundesligastadien. Der Don lehnt lässig am Türrahmen und überblickt seinen gut gefüllten Laden. Die Bayern schießen früh das 1:0. Martin und Tom jubeln kurz und laut. Vor vier Jahren haben sie ein Auslandssemester in Barcelona verbracht. Sie reden über die wilden Partys, die beim Don während der EM 2008 abgingen. Bei der blonden Bedienung bestellt Martin die „Don Bratwurst Spezial“ mit Pommes Schranke, dazu ein Dinkelacker. Tom bleibt beim Wasser. Gestern ist es spät geworden.
Um kurz vor vier wird es laut. Dortmund führt, der Controller strahlt. Nur Sekunden später kassieren die Bayern den Ausgleich. Außer Tom und Martin jubeln jetzt alle. Wildfremde Leute prosten einander zu. Der Don greift sein Megafon und wirft die Sirene an.
„Tim Wiese finden hier alle scheiße“
Beim Fußball ist Björn Lenz neutral. Er hält es mit seinem Bruder André, dem langjährigen Wolfsburger Torwart, der am Don Bratwurst beteiligt ist. Aber wenn die Gäste sich freuen, dass Wolfsburg verliert, dann jubelt der Don mit. Geschäft ist Geschäft. Meistens schimpft er über die Schiedsrichter, da tut er niemandem weh. Oder über Tim Wiese, den finden hier alle scheiße.
In der Halbzeit führt er Tom und Martin sein neu entwickeltes Handyspiel vor: Don Bratwurst Outer Space. Ein digitaler Don schießt mit der Senftube Würstchen ab. Martin schießt ein paar Würstchen und lächelt etwas gequält. Handyspiele sind nicht gerade der Inbegriff des Rock ’n’ Roll.
Björn Lenz ist Geschäftsmann. Seit er bei Sat.1 im Hawaiihemd als Spanienexperte Don Urlaubo zu sehen war, kommen immer mehr Deutsche, vor allem während der Urlaubszeit. Abseits der Spieltage seien aber viele Einheimische da, beteuert er. Sonntags gibt es sogar einen Deutschkurs zum Bier. An seinem entspannten Auftreten kann man ablesen, wie gut der Laden läuft. Hinterm Tresen steht er nur noch selten, das überlässt er seinen Mitarbeitern. „Ich bin kein Chef im eigentlichen Sinne“, sagt er. „Solange es läuft, kann man sich bei mir zuschütten.“
Dortmund hat inzwischen auf 2:0 erhöht. Auch die Bayern führen wieder. Die Spannung ist raus. Der Don zeigt seinen Gästen den Ball, mit dem die Leverkusener das Ehrentor erzielten, als sie in der letzten Saison im Camp Nou mit 1:7 untergingen. Woher er den hat? „Betriebsgeheimnis“, sagt der Don.
Die Gäste gehen heute zufrieden. Bayern und Dortmund haben gewonnen. Tom und Martin verabschieden sich. Auch der Controller bricht direkt nach Abpfiff auf, wie die meisten. Man will ja schließlich noch was sehen von der Stadt.
Als die Meute draußen ist, macht der Chef kurz Pause und genehmigt sich einen Jägermeister. Sein Blick hat jetzt etwas Sanftes. „Wir sind schon ’ne crazy Company“, sagt er. Die Bedienung sammelt die leeren Gläser ein. Um halb sieben kommen die Gäste für das Abendspiel.