Den Aufstieg souverän gemeistert, Ruhe im Umfeld, als eines der ersten Teams die Kaderplanungen abgeschlossen – Aufsteiger Hertha BSC wünscht sich mit neuartiger Genügsamkeit nur noch eins: Mittelmaß.
Das ist neu:
Hajime Hosogai. Klar, ein Japaner gehört zum guten Ton in der Liga. Hosogai, den Manager Preetz findig aus Leverkusen nach Berlin lotste, wird aber nicht nur der Marketing-Abteilung Freude bereiten: Er ist Alternative auf den defensiven Außenbahnen und Komplettpaket im defensiven Mittelfeld zugleich. Dort klont der japanische Nationalspieler Peter Niemeyers Zweikampfstärke und Aufopferungsbereitschaft mit Peer Kluges Passsicherheit und Spielfreude. An seine Qualitäten kommt vielleicht noch Fabian Lustenberger heran, der war aber schon besser in Form. Trainer Jos Luhukay wird vermutlich weiterhin auf eine Doppelsechs, folglich auf Hosogai als Stammkraft bauen.
Das fehlt:
Die Unruhe. Und das nervt den Berliner Boulevard, dem die Schlagzeilen vor Luhukays Amtszeit ohne eigenes Zutun auf die Deckblätter flatterten, gewaltig. Keine abgetretenen Autospiegel, keine Techtelmechtel leitender Angestellter, keine Wechselabsichten – die Hertha ist einfach ein dröger Aufsteiger. Dass sich bei dieser Charakterisierung keiner an der Hanns-Braun-Straße auf den blau-weißen Schlips getreten fühlt, sagt mehr als genug. Der Sinn steht den Berlinern nach Kontinuität und Ruhe im Umfeld. Trainer Luhukay ist dafür der Richtige.
Das fehlt nicht:
Das Selbstvertrauen. Hertha wurde souverän Zweitligameister und stellte mit an Effizienz kaum zu überbietendem Fußball einen neuen Punkterekord auf. Ehemalige Krisenherde wie Adrian Ramos und vor allem Ronny liefen – wenn auch nicht immer im Training, dann zumindest auf dem Platz – zu Höchstleistungen auf. Preetz verlängerte zuletzt die Verträge mit einigen Führungsspielern. Jos Luhukay sieht seine Mannen auf einem Niveau mit etwa acht anderen Bundesligateams. Aus neun Vorbereitungspartien resultierten acht Siege und ein Remis. Gut 18.000 verkaufte Dauerkarten zeigen, dass das erwartungsfrohe Berliner Publikum seiner Alten Dame wieder etwas zutraut.
Wenn diese Mannschaft ein Promi wäre, dann dieser:
Ben Tewaag. Kann mehr, als nur berühmter Sohn (von Uschi Glas respektive Berlin) sein und sich über seine skandalträchtige Vergangenheit profilieren. Hat sich nach Jahren im Rampenlicht unfreiwillig ein Sabbatjahr im Knast (in der Zweiten Liga) genommen. „So frei wie dort war ich noch nie“, zeigt sich der Ex-Bad Boy nach Toilettendiensten (Auswärtsspiel in Sandhausen) und dubiosen Bekanntschaften im Massen-Duschraum (in der Aalener Mixed Zone) geläutert. Nun ist der Muster-Knacki (-Aufsteiger) zurück im Konzert der Großen, hat Demut gelernt und ist ein wenig verlegen vorranging darauf bedacht, nicht negativ aufzufallen.
Das 11FREUNDE-Orakel:
Hertha spielt eine Serie jenseits von Gut und Böse, was im Falle der Hauptstädter eher als „jenseits von Böse“ daherkommt. Spieler wie Brooks, Schulz oder Ben-Hatira müssen sich (wieder) an den großen, schnellen, dreckigen Bundesliga-Alltag gewöhnen, das Trainerteam gibt ihnen die Zeit dazu. Keeper und Zornkomprimat Thomas Kraft zerlegt drei Kabinen und zwei Mitspieler, darf sich am Ende aber über den souveränen Klassenerhalt freuen – Platz 11 bis 14.