Vor zehn Jahren beendete Oliver Kahn seine Karriere. Wir blicken zurück, durch Bananenhagel, auf unfassbare Paraden und ein Denkmal, das schwer zu lieben war.
Es war am 3. November 1999, als Oliver Kahn im letzten Vorrundenspiel der Champions League in München gegen die Glasgow Rangers jene Parade zeigte, von der er heute sagt, dass sie die beste Tat seiner Karriere gewesen sei.
Der Spieler der Schotten hatte nichts falsch gemacht, der Schuss aus rund elf Metern war hart, er war platziert, und er ging gegen die Laufrichtung des Torwarts. Doch irgendwie bekam Oliver Kahn die Hand noch an diesen Ball und wischte ihn an den Pfosten. Abzuschätzen war diese Leistung zunächst nur an der Reaktion des Torhüters selbst, der die Fäuste ballte und den Jubel aus sich herausschrie. Mit bloßem Auge hatte man gar nicht erkennen können, dass Kahn noch eingegriffen hatte, erst die Zeitlupe brachte Aufschluss. Wer sich die Szene heute in der groben Auflösung von Youtube ansieht, braucht ein gutes Timing, um den Moment zu erwischen, in dem die Hand den Ball berührt.
Die Nacht von Barcelona
Vielleicht mag es auf den ersten Blick merkwürdig erscheinen, dass diese Szene aus einem Gruppenspiel möglicherweise die entscheidende Szene in der Karriere des Welttorhüters der Jahre 1999, 2001 und 2002 war. Und auch wenn es spekulativ ist, zu behaupten, ohne diese Parade hätten Kahn und die Bayern ihren großen Triumph im Champions League Finale 2002 nicht zustande gebracht, so spricht doch einiges dafür, dass es eben doch so war.
Zum Zeitpunkt des Spiels gegen die Rangers lag die heute berühmte „Mutter aller Niederlagen“ in Barcelona gegen Manchester United, als die Bayern den Titel in der Nachspielzeit aus der Hand gegeben hatten, erst wenige Monate zurück.
Das traumatische Erlebnis saß zunächst noch tief, den Bayern gelang auf internationalem Parkett nur wenig. Lediglich ein Sieg gelang in der Vorrunde der nächsten Saison, weswegen ein Erfolg gegen die Rangers fürs Weiterkommen unabdingbar war.
Wiedergutmachung um jeden Preis
Die Bayern führten schnell durch einen Elfmeter von Thomas Strunz und spielten passabel. Doch je länger die Partie lief, desto stärker wurden die Schotten, denen ihrerseits bereits ein Unentschieden zum Weiterkommen gereicht hätte. Die Spieler des deutschen Rekordmeisters wurden dadurch immer ängstlicher, das Spiel stand auf der Kippe, und die Rangers hatten bereits drei Aluminium-Treffer produziert, ehe Oliver Kahn eben doch noch die Hand an den Ball bekam und den Bayern dadurch den Einzug in die Zwischenrunde sicherte.
Erst dort entstand schließlich jener Wille, die Finalniederlage von 1999 um jeden Preis wieder gut zu machen, von dem man unbestritten behaupten darf, dass er es war, der den Titelgewinn von 2001 trotz limitierter fußballerischer Möglichkeiten möglich machte.
In der Zwischenrunde deklassierte der FCB mit einem starken Kahn Real Madrid zweimal mit 4:2 und 4:1 und erreichte auch einen 2:1‑Heimsieg beim erneuten Aufeinandertreffen im Halbfinale. Auch wenn Bayern durch die einzige Niederlage, einem 0:2 in der spanischen Hauptstadt, letztlich aus dem Wettbewerb ausschied, wusste die Mannschaft nun, dass sie jeden Gegner schlagen konnte, und dies nicht zuletzt, weil es notfalls eben noch Oliver Kahn gab.