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Manchmal muss man ein­fach Glück haben. Der Talent­späher, der an diesem kühlen Nach­mittag im Jahr 1958 am Spiel­feld­rand eines Schü­ler­spiels stand, hatte sich nicht gerade um den Job gerissen. Es gab inter­es­san­tere Spiele zu beob­achten, als dieser Kick zweier durch den Matsch schlin­gernder Jugend­mann­schaften. Doch sein Klub, Leeds United, wollte es so. Eine his­to­risch gute Ent­schei­dung, denn als nach wenigen Minuten ein kleiner rot­haa­riger Teen­ager in der Mitte des Spiel­feldes an den Ball kommt, ist es um den Scout an der Außen­linie geschehen. Hek­tisch meldet er nach seiner Ankunft in Leeds: Talent gefunden! Der gute Mann hatte soeben Billy Bremner ent­deckt.

Als der gerade erst 17 Jahre alt gewor­denen Bremner seinen ersten Ver­trag an der Elland Road unter­schreibt, hat er bereits eine beein­dru­ckende Durst­strecke hinter sich. Trotz seines offen­sicht­li­chen Talents hatten ihn die Ver­ant­wort­li­chen von Arsenal London und Chelsea abge­lehnt. Bremner, 1942 im schot­ti­schen Stir­ling geboren, sei schlicht zu klein für eine Pro­fi­kar­riere. 20 Jahre später ist Bremner der beste schot­ti­sche Fuß­baller aller Zeiten, die Fans ver­ehren ihn, der Verein gießt ihn in Bronze und im Leeds United Song“ ist eine Strophe nur ihm gewidmet: There´s a red headed tiger known as Billy and he goes like a human dynamo.“

Bremner ist Rodman

Bremner gibt am 23. Januar 1960 sein Erst­liga-Debüt für Leeds, eine Mann­schaft, die zu diesem Zeit­punkt nicht gerade das Maß aller Dinge in Eng­land ist. Die noch nicht einmal in der ersten Liga mit­spielt. Mit Bremner, dessen roter Haar­kranz in den fol­genden Jahren zu einem Mar­ken­zei­chen made in scot­land“ wird, gewinnt United 3:1. Von nun an gehört er zur ersten Elf von Trainer Don Revie, dessen Schicksal in der Fol­ge­zeit eng mit den Fähig­keiten des kurz­bei­nigen Schotten ver­woben ist. Der junge Neu­zu­gang scheint her­vor­ra­gend in das Spiel­kon­zept von Revie zu passen, in Johnny Giles, einem iri­schen Mit­tel­feld­spieler, findet Bremner einen kon­ge­nialen Partner. Das dyna­mi­sche Mit­tel­feldduo grast in den fol­genden Jahren über die eng­li­schen Felder, nicht selten mit den Stollen voran. Leeds ist in den 60er Jahren so etwas wie die Detroit Pis­tons in der NBA Anfang der 90er-Jahre: unge­nießbar, aber erfolg­reich. No one likes us, we dont care!“, singen die Fans von Mill­wall, eigent­lich hätte der Chant besser zum Klub von der Elland Road gepasst. Bremner ist der Rodman, nur: seine Haare braucht er sich nicht rot zu färben.

1964 steigt der Verein in die höchste eng­li­sche Spiel­klasse auf und ver­passt das Double aus Meis­ter­schaft und FA-Cup nur knapp. Leeds ist eine Marke, und Bremner ist das Mar­ken­zei­chen dieser knall­harten Aus­wahl. Man hat dem Schotten mehr als einmal vor­ge­worfen, dass seine Spiel­weise am Rande der Ille­ga­lität stehe. Darauf ange­spro­chen, erwi­derte Bremner see­len­ruhig: Manche sagen, ich würde nur in die Beine treten. Aber das stimmt nicht. Meis­tens ist der Ball auch in der Nähe.“ Unge­achtet aller nick­ligen Tack­lings, in die sich Bremner 22 Jahre lang bedin­gungslos schmeißt, ist er ein Muster an Bestän­dig­keit und Ein­satz­willen, Bremner“, sagt der eng­li­sche Fuß­ball­jour­na­list John Helm, wäre die Elland Road sicher­lich auch mit gebro­chenen Beinen hoch gelaufen, nur um seine Mann­schaft aufs Feld zu führen.“ Seit sich im Oktober 1965 der etat­mä­ßige Mann­schafts­führer Bobby Collins wäh­rend eines Mes­se­po­kals­spiels gegen den AC Turin den Ober­schenkel gebro­chen hat, trägt King Billy“ die Binde. Eine weise Ent­schei­dung von Trainer Don Revie, dessen ver­län­gerter Arm Bremner bereits seit Jahren ist. Er war der beste Kapitän, den die Liga je gesehen hat“, erin­nert sich sein ehe­ma­liger Mit­spieler Mick Jones.

Der Cap­tain of the crew“ führt United 1968 zum Gewinn des Mes­se­po­kals, dem Vor­gänger des heu­tigen Uefa-Pokals. Im Finale reicht ein 1:0‑Sieg im Hin­spiel an Elland Road gegen die unga­ri­sche Ver­tre­tung von Feren­cvaros Buda­pest, um die größte Party anzu­zet­teln, die die Stadt seit der Kapi­tu­la­tion Nazi-Deutsch­lands je gesehen hat. An vor­derster Freund: Billy Bremner. Als schot­ti­scher Fuß­baller ver­ein­nahmt er fast schon kit­schig beide Kli­schees auf vor­bild­liche Art und Weise. Seine Trink­fes­tig­keit wird ihm Jahre später zum Ver­hängnis: 1975 geht Bremner mit den Kol­legen Willie Young, Joe Harper, Joe McCluskey und Arthur Graham nach dem Län­der­spiel gegen Däne­mark auf große Sauf­tour in Kopen­hagen. Die Schotten ver­weisen auf ihre stolze Trin­ker­her­kunft und zer­legen anschlie­ßend das besuchte Lokal in seine Ein­zel­teile. Bremner und seine Mit­spieler werden 1976 lebens­lang für die schot­ti­sche Aus­wahl gesperrt, das Urteil wird später auch nach lauten Pro­testen in der Heimat nicht auf­ge­hoben. King Billys“ Kar­riere in der Natio­nal­mann­schaft endet nach 54 Län­der­spielen mit einem Skandal.

1969 ist Bremner noch fester Bestand­teil der hei­mi­schen Aus­wahl. Seinen Klub hat er an die Spitze der eng­li­schen Liga geführt. Erst­mals seit der Grün­dung 1904 hat der Verein die Meis­ter­schaft gewonnen. Bremner und der Rest des legen­dären 68-er Kaders voll­brachten das Kunst­stück von 42 Par­tien nur zwei zu ver­lieren. In den fol­genden Jahren bleibt Leeds fester Bestand­teil der eng­li­schen Liga­spitze, 1974 gewinnt der Klub erneut die Meis­ter­schaft. Die Rekord­serie von 29 unge­schla­genen Spiele hin­ter­ein­ander wird erst 2004 vom FC Arsenal über­troffen. Im glei­chen Jahr ist Bremner mit seinen schot­ti­schen Lions“ bei der Welt­meis­ter­schaft in Deutsch­land zu Gast. Am Ende fehlt den über­ra­schend stark auf­tre­tenden Schotten nur ein Tor zur Teil­nahme an der Haupt­runde. In der ersten Final­runde bleibt die Mann­schaft um Bremner, Law und Dalg­lish gegen Bra­si­lien (0:0) und Jugo­sla­wien (1:1) unge­schlagen, die Demo­kra­ti­sche Repu­blik Kongo kann mit 2:0 besiegt werden. Ein Tor mehr, und das Los hätte ent­schieden. Schott­land ver­ab­schiedet sich von der WM 74, ohne ein Spiel ver­loren zu haben. Der spä­tere schot­ti­sche Natio­nal­trainer Craig Brown sagt rück­bli­ckend: Mit elf Billy Brem­ners hätte Schott­land auch Bra­si­lien geschlagen.“

Zwei Jahre später endet Brem­ners Kar­riere bei Leeds United. Nach 772 Pflicht­spielen und über 100 Toren wech­selt Bremner für ver­gleichs­weise lächer­liche 35.000 Pfund Ablöse zu Hull City, später hängt er noch drei Jahre bei den Don­caster Rovers dran, die Erfolge mit Leeds kann er nicht wie­der­holen. Als Bremner geht, weint ganz Leeds, und auch der kan­tige Schotte bleibt nicht unbe­rührt: Every time Leeds con­cede a goal I feel like I´ve been stubbed in the heart.“

Bereits bei den Rovers steigt Bremner ins Trai­ner­ge­schäft ein. Zunächst als Spie­ler­trainer, später nur noch an der Außen­linie, lassen sich seine mageren Erfolge nicht mit den glanz­vollen Siegen seiner aktiven Kar­riere ver­glei­chen. 1991 beendet er sein Dasein auf der Trai­ner­bank.

Zwei Tage vor seinem 55. Geburtstag, am 7. Dezember 1997, erleidet Wil­liam Bremner, den alle Welt nur Billy“ nannte, einen Herz­in­farkt. Die Ärzte im Kran­ken­haus von Don­caster können nichts mehr für ihn tun. Auf seiner Beer­di­gung wird seine Hymne ange­stimmt, eine urschot­ti­sche Stimme singt aus bro­delnder Kehle: His name was Billy Bremner, we will never forget his name!“