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Jedes Wort zählt. Gut eine Woche vor der Welt­meis­ter­schaft hat jedes Inter­view des Bun­des­trai­ners Gewicht. Es ist die Zeit der großen Spe­ku­la­tionen und Gerüchte rund um die Auf­stel­lung der deut­schen Elf. Gerade in Bezug auf die mög­li­chen Kan­di­daten, die noch ins Team rücken können, fiel des Öfteren der Name Dennis Aogo. Löw lobte dessen Flanken im Spiel gegen Malta, der Ham­burger habe gute Chancen für Süd­afrika.



Aogo – der Mann also, der eigent­lich als Streich­kan­didat Nummer eins in Joa­chim Löws WM-Cas­ting ging. Nach den vielen Ver­let­zungen und zwei Test-Län­der­spielen steht fest: Andreas Beck geht, Dennis Aogo bleibt. Und Letz­terer kann tat­säch­lich die bemer­kens­werte Geschichte wei­ter­schreiben. In Süd­afrika.

Jeder bekommt seine Chance

2006 war es Oliver Neu­ville, der – als Backup gedacht – mit seinem Tor gegen Polen für den magi­schen Moment der WM sorgte. 2008 zeigte Simon Rolfes als Frings-Ersatz eine beein­dru­ckende Vor­stel­lung im Vier­tel­fi­nale gegen Por­tugal. Man könnte die Liste wei­ter­führen. Rudi Völler sagte kürz­lich im 11FREUNDE-Inter­view: »Wenn man sich die Auf­stel­lungen einer Tur­nierelf anschaut, stellt man fest, dass selten die glei­chen elf Spieler im ersten und im letzten Spiel auf dem Platz standen.«

Völ­lers Tenor: Jeder wird irgend­wann seine Chance erhalten. Wäh­rend einer WM kann für viele die rich­tige Zeit kommen, die vorher keiner auf dem Zettel hatte. Jene Geschichte kann dieses Mal von Dennis Aogo han­deln.

Die tak­ti­schen Vari­anten

Vari­ante 1:
Löw lässt im 4 – 2‑3 – 1‑System spielen, mit Lukas Podolski zurück­ge­zogen im linken Mit­tel­feld. Den offen­siven Jansen dahinter links in der Vie­rer­kette zu stellen, kann ris­kant sein. Mög­liche Alter­na­tive: Der bisher mehr auf die Defen­sive bedachte Aogo.
Vari­ante 2: Bei zwei Stür­mern bleibt der Gedanke, Jansen ins Mit­tel­feld zu ziehen. Aogo stellte kürz­lich in einem Inter­view mit der Badi­schen Zei­tung fest, dass er sich gut mit seinem Ver­eins­ka­me­raden Jansen ergänzen würde. Mög­lich: Aogo hinten links hinter Jansen. Auch wenn er auf der Posi­tion des linken Ver­tei­di­gers in Holger Bad­s­tuber einen starken Kon­kur­renten hat.
Vari­ante 3: Jansen findet nach der langen Ver­let­zungs­pause nicht zu alter Form, Alter­na­tive: Aogo.
Vari­ante 4: Khe­dira und Schwein­steiger gelten momentan als sicheres Sechser-Paar. Sollte sich die Ver­letz­ten­mi­sere fort­setzen und einen der beiden außer Gefecht setzen, stünde Aogo als Mann vor der Abwehr bereit. Diese Rolle spielte er in der Jugend und bei der U21.

Spiel nach vorne bemän­gelt

Damit wäre man bei dem Punkt, der Spieler wie Aogo für Löw so wert­voll macht: Seine Fle­xi­bi­lität. »Dennis hat einen guten linken Fuß, er ist clever, tak­tisch fle­xibel und er kann einen guten Dia­go­nal­ball spielen«, umschreibt Aogos Coach in den Jugend­na­tio­nal­teams, Horst Hru­besch, die Stärken des 23-Jäh­rigen. Hinzu kommt die Abge­klärt­heit. So rou­ti­niert wie Aogo auf dem Feld einer­seits und außer­halb des Platzes ande­rer­seits auf­tritt, ver­gisst man schnell, dass er erst ganz frisch dabei ist.

Ball­si­cher und solide in der Defen­sive – doch bemän­gelt wird sein feh­lender Zug nach vorne. »Er müsste tor­ge­fähr­li­cher sein, all­ge­mein hat er sein Poten­zial in der Offen­sive noch nicht aus­ge­schöpft«, meint Hru­besch. »Doch wenn man wie er noch relativ frisch in der Liga ist, kon­zen­triert man sich nun einmal auf die Defen­sive. Das ist normal, man will als junger Spieler mög­lichst wenig Fehler machen.«



Hru­besch ist aber über­zeugt davon, dass Aogo die nächsten Schritte machen wird. Denn was der Coach, der Aogo seit dessen 17. Lebens­jahr begleitet, an dem gebür­tigen Karls­ruher schätzt, ist dessen Lern­wil­lig­keit. »Er hat immer an sich gear­beitet. Er gehört zu den Typen, die nicht nur Anwei­sungen ent­gegen nehmen, son­dern sie auch hin­ter­fragen.« Chris­tian Streich beglei­tete Aogo in der Jugend des SC Frei­burg. Auch er sagt: »Wenn Dennis ver­letzt war, hat er den­noch das Trai­ning von außen beob­achtet. Er war immer kri­tisch in seiner Betrach­tung und inter­es­siert an der tak­ti­schen Arbeit auf dem Platz.«

Aogo hat aus ver­schie­denen Lebens­ab­schnitten gelernt. Etwa, als er in der Kind­heit auf sich gestellt war, weil die Eltern getrennt lebten und die vier Geschwister aus­ge­zogen waren. »Da habe ich gelernt, selb­ständig zu leben«, sagte er einmal. In seiner Pubertät hatte er Pro­bleme in der Schule, kam mit seinen Leh­rern nicht zurecht. Seinen dama­ligen Lebens­stil bezeich­nete er selbst als »chao­tisch«. Erst ab der B‑Jugend hätten Trainer in der Jugend des SC Frei­burg ihn auf die rich­tige Schiene gebracht.

Men­tale Stärke

Sein dama­liger Trainer Chris­tian Streich erzählt: »»Wir haben in seiner Jugend-Zeit viele Gespräche mit ihm geführt. Es gab unter­schied­liche Auf­fas­sungen und nicht selten Aus­ein­an­der­set­zungen. Mit der Zeit hat er zu uns Ver­trauen gefasst und man konnte kon­struk­tive Gespräche mit ihm führen.«

Als dann doch der Durch­bruch im Fuß­ball klappte, blieb Aogo auf dem Boden. Er trennte sich von seinem dama­ligen Berater, weil der »nur da war, als es um Ver­träge ging«, so Aogo in einem Inter­view mit fudder​.de.

In der Anfangs­zeit beim HSV war es schwer für Aogo. Er kam aus dem fami­liären Umfeld des SC Frei­burg, in Ham­burg fand er zunächst keinen Anschluss und saß nur auf der Tri­büne. Damals pro­fi­tierte er vom Ver­let­zungs­pech, als Jansen und Atouba aus­fielen. Aogo kam auf den Platz und nutzte seine Chance. Die Situa­tion ähnelt der momen­tanen bei der Natio­nal­mann­schaft. Bal­lack, Träsch, Wes­ter­mann fallen aus und so zynisch es klingen mag, kann Aogo davon pro­fi­tieren.

Die eben geschil­derten Situa­tionen können als Indi­zien dafür gelten, dass er trotz seines jungen Alters mit ange­spannten Situa­tionen umgehen kann. So auch, als er als Streich­kan­didat in das WM-Cas­ting ging. Die men­tale Stärke, sie ist gerade bei einer WM gefragt.

Inter­view-Profi

Manuel Konrad hat mit Aogo zusammen beim SC gespielt; beide sind enge Freunde und tele­fo­nieren jeden zweiten Tag mit­ein­ander. »Dennis lässt sich nicht ver­rückt machen. Er kann mit der Situa­tion umgehen und wirkt sehr ent­spannt«, sagt Konrad, der heute beim FSV Frank­furt spielt. »Er hat schon immer sein Ziel klar vor Augen gehabt und sich voll darauf fokus­siert.«

Und die Abge­klärt­heit auf dem Platz und vor den Mikros? »Das war auch schon immer so. Dennis hat schon früher immer ganz sou­verän Inter­views gegeben.« Gut mög­lich, dass Aogo wäh­rend der WM oft Rede und Ant­wort stehen muss. Und dann von seiner Geschichte erzählt: Vom Streich­kan­didat zur WM-Über­ra­schung.