Die verrücktesten Transfers, die interessantesten Interviews, die schönsten Herzschmerz-Geschichten – zum Jahresende holen wir die besten Artikel des Jahres aus dem Keller. Diesmal: Zu Besuch bei der 1. Nacktfußball-EM.
Vier Mannschaften spielen auf einem Kleinfeldturnier gegeneinander. Drei Tage, ohne das irgendwelche Punkte gesammelt oder Statistiken geführt werden. Sinnlos? Nach Meinung des Veranstalters New Sports Event nicht. Frei nach dem Motto: Bei Torjubel Striptease. Was in mancher Studenten-WG am Pokertisch geübt wurde, wird am Messegelände des Berliner Funkturms zur knallharten Realität. Nach jedem Gegentor müssen sich die vier Mannschaftsmitglieder eines Kleidungsstücks entledigen. In Berlin Mitte ruft zeitgleich ein engagiertes Protestbündnis zum Boykott auf, denn die Veranstaltung habe nichts mit Fußball zu tun, sondern sei nur darauf ausgelegt heterosexuelle Männerphantasien zu bedienen. Grund genug, um investigativ hinter die Kulissen zu schauen. Rein beruflich, versteht sich.
Fußball und nackte Frauenkörper sind also das Wunschideal des Ottonormalmannes. Scheinen jedenfalls die Veranstalter zu meinen. Im runden Saal des Messegeländes, in dem sonst wahlweise Medizinertagungen oder die Echo-Verleihung stattfinden, haben sich etwa einhundert Männer um einen Cage-Soccer versammelt. Denn dort kämpfen „Erotica Deutschland“ gegen „Schweden Blondes“ um das letzte Hemd. Und wer noch prüde denkt, dass sicherlich nur die Stutzenhalter ausgezogen werden, ist drei Tore später deutlich schlauer als jegliche Stoffe auf dem grünen Boden liegen. Ein Königreich für ein Efeublatt. Willkommen bei der 1. Nacktfußball-EM!
Im Rahmenprogramm enthalten sind zudem erotische Tombola, private Fotoshootings und Sexy-Torwandschießen. Die pinken Plakate in der Innenstadt werben mit Erotik Non-Stop. Über Begriffsinterpretationen lässt sich bekanntlich streiten. Das Protestbündnis in der Innenstadt dürfte Recht behalten, doch das scherrt auf dem Messegelände eigentlich niemanden.
m angrenzenden Park haben sich die Szenekundigen der St. Pauli Nachrichten und lokalen Ü18-Heftchen für eine kurze Zigarette versammelt. Das Match zwischen Schweden und Deutschland ist beendet, doch der Sport steht hier eher im Hintergrund. Enttäuscht sind die Kollegen vom Kiez über das geringe Zuschauerinteresse und das skurrile Versteckspiel mancher Schaulustiger sobald eine Kamera eingeschaltet wird. „Die Personen wollen nicht gefilmt oder angesprochen werden. Schließlich haben die meisten Konsumenten daheim Frau und Kinder und vielleicht sieht der Kollege am Montag die verräterischen Bilder“, meint einer der ergrautesten Schreiberlinge, während ihm die Kollegen fleißig zunicken. Der Neuankömmling bleibt jedenfalls nicht lange unentdeckt: „11FREUNDE? Ist das dieses neue Gay-Magazin?“
Nebenan sonnen sich die Sternchen der Szene. Kina Koxx und VanityPorn scheinen sich fünf Minuten vor dem nächsten Anstoß jedenfalls nicht über ausgefeilte Taktikzüge auszutauschen. „Deutschland, wir wollen eure Popos sehen!“, bittet Stadionsprecherin Biggi Bardot die Spielerinnen zurück aufs Feld. Es werden jegliche Klischees bedient, selbst die Spielerinnen liegen peinlich lachend auf dem Rasen, doch sieben Spielminuten später ist das Spektakel schon beendet. Frankreich profitiert von der besseren Tagesform und Top-Stürmerin SweetMelody netzt gleich doppelt zum 3:1‑Sieg.
Mit Zuschlag
Auch am Sonntagabend, dem Finaltag hält sich der Andrang in Grenzen, die meisten Zuschauer tragen ein grünes Presse-Bändchen am Armband. Für den Szenekundigen scheint die Veranstaltung ein laues Lüftchen zu sein, findet auch Markus. „Ist das hier wirklich alles?“, fragt er. Kurz danach geht der Mittzwanziger in einen der angrenzenden Showrooms, zahlt auf den Eintrittpreis von 39 Euro einen Zehn-Euro-Zuschlag und lässt die Sommerpause Sommerpause sein