Vor 30 Jahren hält Helmuth Duckadam im Landesmeisterfinale vier Elfmeter und macht Steaua Bukarest zum Champion. Danach wird er nie wieder Fußball spielen.
Die ganze Dimension dessen, was an jenem 7. Mai 1986 geschah, hat Helmut Duckadam erst fast zwanzig Jahre später begriffen. Im Oktober 2005 reiste er mit einer Delegation von Steaua Bukarest zum Champions-League-Spiel bei Real Madrid, quasi inkognito, in Begleitung des Steaua-Präsidenten Gigi Becali.
Am Abend vor dem Match war er mit beim Dinner der Vorstände, ohne dass ihn auf Seiten Reals jemand erkannt hätte. Irgendwann erhob sich Becali und sagte: „Liebe Gastgeber, Sie wissen nicht, wer heute unter Ihren Gästen ist. Es ist Helmuth Duckadam, unser Held von Sevilla.“
In diesem Moment erhob sich die gesamte Klubführung von Real Madrid, angefangen beim Präsidenten Ramón Calderón, und applaudierte dem Mann, der einst Reals Erzrivalen FC Barcelona solche Schmerzen zugefügt hatte.
Um Duckadams Geschichte zu verstehen, muss man sich klarmachen, wie sehr sich die Fußballwelt in den letzten dreißig Jahren verändert hat. Seinerzeit liefen die Spieler in Trikots mit den Rückennummern eins bis elf auf, und es gab drei europäische Klubwettbewerbe, deren Spiele ausnahmslos mittwochs ausgetragen wurden.
Am Europapokal der Landesmeister nahmen nur die Meister aus den Mitgliedsverbänden der UEFA teil – vor dem Zerfall der Sowjetunion und Jugoslawiens sowie der Aufnahme zahlreicher Zwergstaaten waren es überdies etwa zwanzig Länder weniger als heute. Weil es nur K.o.-Spiele und keine gesetzten Teams gab, waren die Wettbewerbe weniger vorhersehbar als heute.
Eine besonders finstere Diktatur
Trotzdem war es auch damals eine Sensation, wenn im Finale ein reicher Klub aus dem Westen auf eine Mannschaft aus dem Ostblock traf. Wie im Mai 1986, als der FC Barcelona gegen den rumänischen Meister Steaua Bukarest spielte.
Nicht nur der Fußball war damals ein anderer. Unter den Staaten hinter dem sogenannten „Eisernen Vorhang“ war Rumänien eine besonders finstere Diktatur. Mitte der Achtziger führte Nicolae Ceaușescu das Land bereits seit zwei Jahrzehnten, er hatte sich zum Conducator ausgerufen und forderte einen stalinistischen Personenkult für sich ein.
Spielerwechsel ins Ausland waren verboten, zudem durften nur wenige Menschen Steaua zum Endspiel nach Sevilla begleiten: ein paar linientreue Journalisten und rund tausend handverlesene Fans, von denen trotzdem gleich vierzig in Spanien politisches Asyl beantragen sollten.
Niemand dachte ernsthaft an eine Niederlage
An jenem Frühlingsabend war im Stadion Ramón Sánchez Pizjuán alles für einen Triumph des FC Barcelona bereitet. Die vom Engländer Terry Venables trainierte Elf war hoch favorisiert gegen ein Team, dessen Protagonisten in Westeuropa fast keiner kannte. Außerdem genossen die Spieler um den deutschen Regisseur Bernd Schuster einen deutlichen Heimvorteil.
Fast 60.000 Zuschauer drängten sich auf den Rängen, um mit Barcelona den erstmaligen Gewinn des Landesmeisterpokals zu feiern. Niemand dachte ernsthaft an eine Niederlage.
„Natürlich war Barcelona der klare Favorit“, sagt der Mann, der zum Helden dieses Finals werden sollte. Steauas Torwart Helmuth Duckadam erkennt man auch drei Jahrzehnte später sofort, wenn er den Raum betritt. Er mag fülliger und in die Jahre gekommen sein, aber sein Erkennungszeichen trägt er heute wie damals: den zwei Finger breiten Schnäuzer auf der Oberlippe.
Duckadam wurde 1959 in der Kleinstadt Semlac geboren, nahe der ungarischen Grenze. Er stammt aus einer Familie Banater Schwaben, der deutschsprachigen Minderheit des Landes. Seine Torwartkarriere begann er bei UT Arad, in der Nähe seiner Heimatstadt.
104 Ligaspiele in Folge ungeschlagen
1982 wechselte Duckadam zum Armeeklub Steaua Bukarest. „Ich sollte meinen Militärdienst leisten“, sagt er, „und hatte die Wahl zwischen Universitatea Craiova und Steaua. Damals konnte man bei den kleineren Vereinen aus der Provinz mehr verdienen, aber in der Hauptstadt hatte ich bessere Möglichkeiten, mich zu entwickeln und bekannter zu werden.“
Mit Duckadam im Tor gewann Steaua 1985 die erste Meisterschaft nach sechs erfolglosen Jahren. Zu jener Zeit mischte Valentin Ceaușescu, der älteste Sohn des Diktators, mehr und mehr im Management mit. Während das Regime allmählich zerfiel, gewann der Klub zwischen 1985 und 1989 fünf Meisterschaften und drei Pokale, dabei blieb Steaua in 104 Ligaspielen in Folge ungeschlagen.