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Nicht alle Fuß­ball­ge­schichten beginnen auf dem Fuß­ball­platz, aber die wenigsten beginnen auf dem Klo. Diese hier schon. Und bis heute lässt sich treff­lich dar­über streiten, ob die miss­li­chen Umstände den größten Erfolg des Leip­ziger Fuß­balls fast ver­hin­dert oder über­haupt erst mög­lich gemacht haben.

Eigent­lich war das eine Situa­tion, in der man null Erfolg haben kann“, glaubt René Müller, sei­ner­zeit Tor­wart und einer der wich­tigsten Leis­tungs­träger beim 1. FC Loko­mo­tive Leipzig. Die Sache hat jeden­falls alles ad absurdum geführt, was wir uns bis dahin erar­beitet hatten“, sagt Trainer Hans-Ulrich Uli“ Tho­male, und Heiko Scholz, damals 21 Jahre alt und in seiner ersten Saison auf der großen Bühne unter­wegs, meint ach­sel­zu­ckend: Dass aus­ge­rechnet dieses Jahr das erfolg­reichste in der Geschichte von Lok werden würde, mag uner­klär­lich sein. Aber so ist das manchmal im Leben, oder?“

Was aber ist pas­siert? In die Saison 1986/87 startet Lok Leipzig wieder mal mit großen Ambi­tionen. Das Team gehört zu den Großen im DDR-Fuß­ball der Acht­ziger, ist im Jahr zuvor Vize­meister hinter dem ewigen BFC Dynamo geworden und hat den FDGB-Pokal gewonnen, wes­halb es im Euro­pa­pokal der Pokal­sieger antreten darf. Die Sai­son­vor­gaben werden von Trainer Tho­male und Klub­chef Peter Gießner in einem Stra­te­gie­pa­pier fest­ge­legt, in dem es unter anderem heißt: Der 1. FC Loko­mo­tive Leipzig stellt sich das Ziel, in diesem Euro­pa­cup­wett­be­werb das Halb­fi­nale zu errei­chen.“

Eine Reise zum großen Bruder

Das klingt allemal schneidig, schließ­lich hat Lok erst einmal eine solche Vor­schluss­runde erreicht, und das war 1974. Über­haupt liegt der letzte grö­ßere inter­na­tio­nale Erfolg eines DDR-Klubs schon eine Weile zurück: 1981 ist Carl Zeiss Jena erst im End­spiel des Pokal­sie­ger­wett­be­werbs an Dinamo Tiflis geschei­tert. Seitdem ist für die Ver­eine aus Ost­deutsch­land spä­tes­tens im Vier­tel­fi­nale Fei­er­abend gewesen.

Bevor aber nun Lok Leipzig einen neuen Anlauf nehmen kann, steht erst eine Reise zum großen Bruder an. Außer den Natio­nal­spie­lern Müller, Zötz­sche, Baum, Kreer und Lie­bers, die sich mit der DDR-Natio­nalelf im Trai­nings­lager in Wien auf die anste­hende EM-Qua­li­fi­ka­tion vor­be­reiten, fliegt der kom­plette Kader am 22. Juli 1986 in die Sowjet­union, um dort zu einer Reihe von Freund­schafts­spielen anzu­treten.

Die Sache endet in einem Desaster: Nicht nur, dass der Trip chao­tisch ver­läuft, mit ewig langen Bus­fahrten, kaputten Duschen und kaker­la­ken­ver­seuchten Hotels, spä­tes­tens auf der Rück­reise rum­pelt es allen aus der Dele­ga­tion gehörig im Magen.

Besser als gerührt zu sein, ist sich rühren“

Schuld war meiner Mei­nung nach ein ein­ge­schweißter Ver­pfle­gungs­beutel“, sagt Heiko Scholz. Der hat schon von innen getropft.“ Letzt­lich stellt sich heraus, dass sich die Spieler von Lok Leipzig die Ruhr ein­ge­fangen haben, was zur Folge hat, dass die kom­plette Mann­schaft in einem Leip­ziger Kran­ken­haus in Qua­ran­täne wan­dert. Ab diesem Zeit­punkt kann von einer geord­neten Sai­son­vor­be­rei­tung nicht mehr die Rede sein.

Wäh­rend die aus Öster­reich zurück­ge­kehrten Natio­nal­spieler mit der eigenen U21 trai­nieren, ver­treiben sich die gut zwanzig Spi­tal­in­sassen, auf­ge­teilt auf ganze zwei Zimmer, die Zeit mit Kar­ten­spielen. Als es den Spie­lern all­mäh­lich besser geht, impro­vi­siert Uli Tho­male ein Fit­ness­pro­gramm im Kran­ken­zimmer. Mein Leit­spruch war immer: Besser als gerührt zu sein, ist sich rühren.“

Bis die letzten Pati­enten ent­lassen werden, dauert es aller­dings sechs Wochen, sogar das erste Ober­li­ga­spiel gegen Union Berlin wird ver­legt. Ohne Begrün­dung übri­gens, denn von der Infek­tion im Bru­der­land darf die Öffent­lich­keit nichts erfahren.