Das Urteil des Frankfurter Landgerichts ließ keine Fragen offen. Ein Verstoß gegen Ethik und Moral war für die Kammer nicht ersichtlich. Die Juristen setzten sogar noch einen drauf. Die Entscheidung des Ligaausschusses den ach so unmoralischen Trikotsponsor unter Androhung von Punktabzug verbergen zu müssen, wurde für „offensichtlich willkürlich“ erklärt. Der kleine FC 08 Homburg, der es wagte, seine Brust an den Kondomhersteller „London Rubber Company“ zu verkaufen, hatte den großen DFB niedergerungen. Den Herren des Verbandes hingegen wurde vor Augen geführt, dass ihr Weltbild kein allzu aktuelles sein konnte.
In einer Zeit, in der Hella von Sinnen in einer vom Bund finanzierten AIDS-Aufklärungskampagne unüberhörbar nach einer Preisauskunft schrie („Tiinaaa, wat kosten die Kondome?“), präsentierten sich die Granden des DFB in der Saison 1987/88 als renitente und engstirnige Altherrenrunde. Allen voran marschierte Gerhard Mayer-Vorfelder, damals Präsident des VfB Stuttgart und Vorsitzender des Ligaauschusses.
Ommer lernte Verbohrtheit schon als Leichtathelt kennen
Er tappte tapfer in die Falle, die ihm Manfred Ommer, Präsident des FC Homburg, wohl kalkulierend gestellt hatte. Genüsslich konnte Ommer Mayer-Vorfelder die Aussage des damaligen FDP-Sprechers Lothar Mahling unter die Nase reiben, laut der es ja kaum zu erwarten gewesen sei, dass „der selbsternannte Tugendwächter Mayer-Vorfelder über seinen kleinbürgerlichen Schatten springen“ werde. Schon zu seiner Zeit als erfolgreicher Leichtathlet – 1974 stellte er den Europarekord im 100 Meter-Sprint ein – lernte Ommer ein ums andere Mal die Verbohrtheit manche Funktionäre kennen und hassen.
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Kein Wunder also, dass er freimütig in einer Talkshow behaupten konnte, mit der „Dämlichkeit der Funktionäre“ gerechnet zu haben. Eine Rechnung, die zweifellos aufging, dem FC Homburg und seinem Sponsor eine Publicity bescherte, die auf sportlichem Wege nicht zu erreichen war. Und das alles für relativ lumpige 200.000 D‑Mark, die „London“ für diesen PR-Coup hinlegen musste. Nationale wie internationale Presse suchten den Verein auf und thematisierten den „Skandal“ ausführlich.
Spätestens nun war endgültig allen klar, dass Homburg nicht Bad Homburg ist, bis dahin eine nicht seltene Verwechslung. Hätte es anno 1988 schon die Floskel vom „Kultklub“ gegeben, die Homburger wären nach dem Trubel um ihren Sponsor aus der Latexbranche ein berechtigter Träger dieser Würde gewesen. Der David aus der bis dahin kleinsten Bundesligastadt legt sich erfolgreich mit dem Goliath DFB an – eine Story, die begeisterte.
Das „Ommer-Modell“ wurde als Sklavenhandel gebrandmarkt
Dies sollte nicht die einzige Episode der Fehde Ommers mit dem DFB bleiben. Auch mit dem sogenannten „Ommer-Modell“ machte sich der Finanzmakler kaum Freunde. Ommers Geschäftsidee war es hierbei, in diversen Fonds Geld zu sammeln, um davon Spieler zu kaufen, die dann gegen eine Art Leasinggebühr an Vereine weitergereicht werden. Nicht wenige dieser so finanzierten Spieler landeten in Homburg und gehörten somit gewissermaßen ihrem Präsidenten. Ein allseits als „Sklavenhandel“ gebrandmarktes Unterfangen, dessen Seriosität nicht erst nach der Einstellung der Renditezahlungen an die Fondsbeteiligten in Frage stand.
Sein Geschäftsmodell beschrieb Ommer selbst folgendermaßen: „Ich kaufe den Spieler X für eine Million Mark, kassiere 200.000 Mark Leasing im ersten Jahr, verkaufe ihn nach einer Saison für 1,2 Millionen Mark und gehe da raus mit 400.000 Mark Gewinn.“ An einen möglichen Wertverlust seiner Spieler verschwendete der selbstbewusste Finanzjongleur natürlich keinen Gedanken. Das hätte er aber besser getan, denn letztendlich griff bei der Wahl seiner Leasingspieler Ommer zu oft daneben, als dass sein Modell auch nur halbwegs profitabel sein konnte.
1988 ging es wieder in die 2. Liga
Trotz aller medialen Präsenz, sportlich hatten die Saarländer 1988 wenig zu melden. Wenige Monate nach dem juristischen Triumph über den DFB stand der sportliche Abstieg. Als Tabellenvorletzter musste man – begleitet vom FC Schalke 04 – wieder in die Zweitklassigkeit, die man erst zwei Jahre zuvor verlassen hatte. Da nutzte auch die zwischenzeitliche Rückkehr der Homburger Ikone Uwe Klimaschefski nichts. „Klima“, der einst einen aufmüpfigen Platzwart zum Torschusstraining an den Pfosten fesselte, durfte ganze neun Mal auf die Homburger Bank, bis sein Nachfolger in der Tür stand.
Trotzdem waren die ausgehenden Achtziger ebenso schöne wie turbulente Jahre im Waldstadion und die Blüte des Homburger Fußballs. Erfolge, die maßgeblich mit dem Namen Udo Geitlinger verbunden sind. Als Bauunternehmer erwirtschaftete er das Geld, mit dem sich der FC Homburg über Jahre finanzierte und schließlich 1986 erstmals in der Bundesliga auftauchte. Um auch dort über die Runden zu kommen, holte Geitlinger den höchstens rudimentär seriösen Ommer zum Verein, machte ihn zum Präsidenten und läutete damit unruhige Zeiten ein. Viele der Aufstiegshelden wurden abserviert.
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Überraschend war das nicht, schließlich sollte der FC Homburg zum Schaufenster des Ommer-Modells werden. So fanden die polnischen Nationalspieler Andrzej Buncol und Roman Wojcicki, Bayer Uerdingens Pokalheld Wolfgang Schäfer oder auch Thomas Stickroth den Weg ins Saarland. Was dort in Homburg passierte, war anderen Bundesligisten äußerst suspekt und so taufte man den Emporkömmling kurzerhand in „FC Humbug“ um. Für Ommer zahlte sich der Aufwand trotz des Spotts aus, war seine Anlagegesellschaft „Detag“ doch schlagartig in aller Munde.
Der Abstieg 1988 wirkte nicht lange nach, schon ein Jahr später standen die Saarländer wieder auf der Matte und spendierten der Bundesliga nebenbei ein vielversprechendes Juwel aus Argentinien – Rodolfo Esteban Cardoso. Seine ganze Klasse sollte jener Cardoso erst Jahre später im Trikot des SC Freiburg sowie des Hamburger SV zeigen können. Dem FC Homburg jedoch konnte Cardoso nicht entscheidend helfen. Abgeschlagen landete das Team auf dem letzten Platz. Ein endgültiger Abschied aus der Bundesliga. Und eine späte Genugtuung für die Moralwächter des DFB.