1.
Dop­pelte Freude: Kurz nach seinem Pro­fi­debüt beim FC Schalke 04 – am 6. Oktober 1979 gegen Werder Bremen – bestand Wolfram Wuttke seine Füh­rer­schein­prü­fung. Viel­leicht auch, weil er zuvor eifrig mit fremden Wagen übte. Einige Zei­tungen schrieben etwa, dass Wuttke sich einmal den Mer­cedes von Team­be­treuer Charly Neu­mann ohne Erlaubnis schnappte und damit Runden um den Trai­nings­platz drehte, wäh­rend seine Mit­spieler unter den Medi­zin­bällen schwitzten. Neu­mann soll ihm dafür eine Ohr­feige ver­passt haben. Halb­wahr­heiten“, sagt Wuttke heute. Es war ein VW Sci­rocco. Und eine Ohfeige gab’s auch nicht. So etwas hätte Neu­mann nie gemacht.“ Nach der Füh­rer­schein­prü­fung, die er an seinem 18. Geburtstag bea­tand, sagte Wuttke in der Fuß­ball­woche: Jetzt kann ich alleine nach Schalke fahren und brauche meinen Vater nicht immer. Und auch Bri­gitte kann mit.“ Sein Traum­auto? Ein Sci­rocco oder Golf! N biss­chen nach was muss er schon aus­sehen.“

2.
Bei Borussia Mön­chen­glad­bachkam der beken­nende Rau­cher nicht son­der­lich gut mit Trainer Jupp Heyn­ckes zurecht (Wuttke: Ein mili­tanter Asket“). Und auch in der Mann­schaft war er nicht der Belieb­teste. Glad­bachs Kapitän Wil­fried Hannes sagte eines Tages: Wuttke ist ein Chaot, wenn er geht, schenke ich ihm eine gol­dene Rolex zum Abschied.“ Wuttke wollte ihn beim Wort nehmen und sprach ihn darauf an. Die Mann­schafts­kol­legen beschlossen dar­aufhin, ihn aus Kos­ten­gründen mit einer gefälschten Rolex zu foppen. Der dama­lige Glad­ba­cher Betreuer und Phy­sio­the­ra­peut Charly Stock ritzte den Firmen-Schriftzug auf die Unter­seite einer gewöhn­li­chen ver­gol­deten Uhr (Wert: 100 Mark). Wolfram Wuttke ver­ließ dar­aufhin tat­säch­lich den Verein. Aller­dings nicht wegen der Uhr, wie heute behauptet wird. Die Fäl­schung hatte er näm­lich sofort erkannt: Dass das Teil ein Imitat war, erkannte man sofort. Die hatten da mit einer Gabel Rolex rein­ge­ritzt – mehr schlecht als recht. Mir war’s egal – sie funk­tio­nierte.“

LEGEN­DÄRE WUTTKE-ZITATE 1
Jetzt scheiß dir mal nicht vor dir selber in die Hose, Mann!“
(Wolfram Wuttke zu einem Lini­en­richter)

3.
Im Sommer 1983 wech­selte Wolfram Wuttke zum Ham­burger SV, der gerade den Euro­pa­po­kal­sieger der Lan­des­meister gewonnen hatte. Wuttke hatte viel vor: Ich will die Meis­ter­schaft, den DFB-Pokal, den Welt­pokal und den Euro­pa­pokal gewinnen.“ Am Ende stand die Mann­schaft mit leeren Händen da. Horst Hru­besch und Lars Bastrup waren weg, die Mann­schaft war hoff­nungslos über­al­tert. Man­fred Kaltz, Bernd Weh­meyer, Uli Stein, Ditmar Jakobs – die Füh­rungs­spieler waren alle über 30. Wenn­gleich Jakobs hinten impo­sant alles weg­fegte und Stein der beste Tor­wart der Welt war“, sagt Wuttke heute.

4.
Zu Beginn seiner HSV-Zeit gab er für die Bild“-Zeitung zudem ein erhel­lendes Leser-Inter­view. Jan Hafer­land aus Ham­burg fragte etwa: Welche Hobbys haben Sie?“ – Wut­tkes Ant­wort: Tennis, Musik – und Fau­lenzen.“ Auch gut Mat­thias Tetzner: Warum spielen Sie so oft mit dem Außen­rist“ – Ant­wort: Weil’s meine Spe­zia­lität ist.“ So harmlos die Fragen waren, das Inter­view holte Wuttke tat­säch­lich ein Jahr später ein. In einer Ant­wort hatte er voll­mundig ange­kün­digt, dass er barfuß durch Ham­burg-Ahrens­burg läuft, wenn er in der ersten Saison keine 15 Tore schießt. Ihm gelangen schließ­lich sieben Treffer – und löste die Wette tat­säch­lich ein.

LEGEN­DÄRE WUTTKE-ZITATE 2
Immer, wenn ich breit bin, werde ich spitz.“
(Wolfram Wuttke über Alkohol)

5.
Wolfram Wuttke fiel auch bei HSV-Trainer Ernst Happel bald in Ungnade. Für den Alten war ich ent­weder Zau­berer, Wurschtl oder Arsch. Schließ­lich war ich fast nur noch Arsch“, sagte Wuttke einmal. Am Ende seiner HSV-Zeit wurde er vom Trai­ning ver­bannt und musste wochen­lang Runden laufen, wäh­rend die Mit­spieler Bälle aufs Tor schossen. Ernst Happel ver­riet damals, dass er die Stürmer Dieter Schatz­schneider und Wolfram Wuttke aufs Schlimmste ernied­rigt habe“. Er nannte Wuttke aller­dings nicht nur Arsch, son­dern auch Parasit“ oder Wurm“. Und er pol­terte: Der Schatz­schneider läuft so langsam wie eine Schild­kröte, der Wuttke ver­kriecht sich, wenn sein Feind kommt.“ Die HSV-Fans indes liebten ihren Wutti, ein Graf­fito am Trai­nings­ge­lände („Wutti, wir brau­chen dich!“) zeugte noch Jahre nach seinem Weg­gang davon.

6.
Warum lief es in Kai­sers­lau­tern eigent­lich besser? Wuttke in einem Inter­view mit der Bild am Sonntag aus dem Oktober 1986: Die Men­schen in Ham­burg leben auf einem anderen Level. Beim HSV bin ich wie­der­willig auf den Platz, weil ich spielen musste, was ich nicht wollte. Wenn ich ins Mit­tel­feld bin, um den Ball zu holen, hat Happel gebrüllt: ›Tret den Wuttke in den Arsch‹. Wenn ich in Kai­sers­lau­tern mit schlechter Laune ins Trai­ning komme, sagt Bon­gartz: ›Schieß ein paar Bälle aufs Tor und lass dich dann mas­sieren!‹.“ Wäh­rend seiner Zeit in Kai­sers­lau­tern wurde Wuttke Natio­nal­spieler. Mit der Olympia-Mann­schaft gewann er 1988 die Bronze-Medaille in Seoul. Im Halb­fi­nale schied die Elf um Jürgen Klins­mann, Fritz Walter jr., Frank Mill und Wolfram Wuttke gegen Bra­si­lien aus. Das Spiel um Platz gewann Deutsch­land gegen Ita­lien mit 3:0.

LEGEN­DÄRE WUTTKE-ZITATE 3
Ich kann gar nicht auf einem Wein­fest gewesen sein, ich bin Bier­trinker.“
(Wolfram Wuttke über ein Wein­fest in Bad Dürk­heim)

7.
Stress gab aller­dings auch in Kai­sers­lau­tern. Die Geschichte mit dem Wein­fest, das Wuttke angeb­lich nicht besucht hatte, ist häufig erzählt worden. Die Epi­sode mit Sepp Stabel eben­falls – aller­dings falsch. Stabel löste im Januar 1987 Hannes Bon­gartz als Trainer ab. Wuttke sagte einmal bei­läufig: Er war früher Tor­wart.“ Ein Reporter hörte mit. Am nächsten Tag stand in der Zei­tung: Wuttke: Was will mir ein ehe­ma­liger Ersatz­tor­hüter schon bei­bringen?“ Wuttke kün­digte in jener Zeit auch an, nicht mehr mit der Sport­bild“ spre­chen zu wollen.

8.
1990 wech­selte Wolfram Wuttke zu Espanyol Bar­ce­lona, wo er 15 Tore schoss. Weil die Fans ihn Kleinen König“ tauften, ließ sich Wuttke bei einem Inter­view­termin in einem Königs­ge­wand und mit einer Krone auf dem Kopf ablichten:

Wuttke

9.
Zwei Jahre später kehrte Wuttke nach Deutsch­land zurück. Neu­an­fang beim 1. FC Saar­brü­cken. End­lich mal passte alles: Sein ehe­ma­liger Mit­spieler Rüdiger Abramczik war als Co-Trainer in Saa­b­rü­cken tätig, sein Kumpel Peter Neururer arbei­tete als Chef­coach. Beide sind heute noch mit­ein­ander befreundet. Ein lockerer Typ, der zudem sach­lich und fach­lich einer der besten ist“, sagt Wuttke über Neururer. Leider hat er über all die Jahre ein Image auf­ge­drückt bekommen, was er sich natür­lich ein wenig selbst zuzu­schreiben hat.“ Doch auch das Kapitel Saar­brü­cken endete mit einem Disput. Neuru­rers Nach­folger Fritz Fuchs warf Wuttke einmal vor, er habe bis zwei Uhr früh ein Palaver bei Bier und Schnaps ver­an­staltet“. Wuttke ent­geg­nete, so schrieb die FAZ im August 1993, dass er kein Lügner und Säufer sei und dem­je­nigen die Zunge abge­schnitten werden solle, der ihn dis­kre­di­tiere“. Wenig später been­dete Wuttke wegen eines Schul­ter­bruchs seine Kar­riere.

LEGEN­DÄRE WUTTKE-ZITATE 4
Der liebe Gott hat mir die Füße ver­renkt, für mich eine Gabe des Him­mels.“
(Wolfram Wuttke über Geschenke)

10.
Nach seiner Kar­riere arbei­tete Wuttke als Sport­di­rektor beim TSV Crails­haim, eröff­nete ein Sport­ge­schäft und war kurz­zeitig als Ten­nis­trainer tätig. Im Jahr 2000 erkrankte Wuttke an Brust­krebs. Heute hat er die Krank­heit über­standen. Er lebt in Selm, einem Städt­chen in der Nähe von Dort­mund. Gele­gent­lich rauche ich noch eine am Fenster“, sagt er. Ins Fuß­ball­sta­dion geht er selten.